Eine Abenteuerreise geht natürlich immer irgendwie ins Ungewisse, das ist die Natur einer solchen Reise und eigentlich soll es ja auch so sein. Man hat ein paar Eckpunkte und alles dazwischen entwickelt sich unterwegs. Begegnungen mit Einheimischen und anderen Reisenden, Verkehrsbedingungen, Wetter, Krankheiten, spontane Ideen, unvorhersehbaren Gelegenheiten u.v.a.m. bestimmen dann letztendlich die tatsächliche Reiseroute.
In diesem Sinne ist unsere Reise 2011 eine wahre Abenteuerreise. Wohin es uns 2011 verschlagen hat, können Sie ab sofort hier nach verfolgen. Viel Vergnügen beim Mitreisen!
Stefanie & Thomas Heinze
2. Europäischer Start der Arabienreise
5. Brasilien - neuer Aufbruch in die neue Welt
6. Chapada Diamantina - Wasserfälle, Schluchten und Berge
7. Chapada Diamantina - farbenprächtige Unterwelt und Schwarzwassercañons
8. Ilha Grande - ein tropisches Inselparadies
9. Blumenau - ein Stück Deutschland unter Palmen
10. Abstecher Argentinien - tosendes Wasser und luftige Höhen
11. Boliviens Vielfalt - Nachtfrost, Wasserwelt und Tropenhitze
12. Roraima - Teil I - Aufstieg in die vergessene Welt
13. Roraima - Teil II - wo die Welt am Ältesten ist
14. Amazonien - Grüne Hölle unter Wasser
Nachdem wir (meine Frau Stefanie und ich) nun schon einige Male Südamerika besucht hatten, wollten wir 2011 mal etwas ganz Neues kennenlernen: Arabien, den Orient, die Sahara, das Land aus tausend und einer Nacht und des Islams.
Die Eckpunkte standen schnell fest. Startpunkt sollte die Straße von Gibraltar werden und dann einmal südlich ums Mittelmeer bis zum Bosporus in die Türkei. Kulturell würden wir damit beide Neuland betreten, da wir noch nie in Arabien waren und natürlich kein Wort Arabisch sprechen…ein echtes Abenteuer also.
Unsere Reisroute musste jedoch im Vorfeld schon etwas präzisiert werden, da für einige Länder ein Visum nötig ist. Für manche unserer Wunschländer sind Visa für Individualtouristen (anders wollen wir nicht reisen) unmöglich (z.B.: Irak, Iran, Saudi Arabien), für Andere schwierig (Libyen, Algerien), manchmal problemlos (Ägypten) und stellenweise nicht mal nötig (Marokko). So kristallisierte sich aus eigenen Wünschen, zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten und politischen Gegebenheiten folgende Tour heraus: Spanien, Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon und Türkei. Eine Tour für die wir uns ein halbes Jahr Zeit nehmen wollten.
Wie sich jedoch um den Jahreswechsel 2010/2011 herausstellt, hatten wir uns einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt für unsere Tour ausgesucht. Noch vor unserem Start im Januar gab es die ersten politischen Unruhen in Tunesien und Algerien. Zu dieser Zeit war das Bereisen dieser Länder als Individualtourist undenkbar. Neben der unkalkulierbaren Gefahr wäre auch unser Ziel – das Kennenlernen von Land und Leute – unerreichbar und bestenfalls wären wir Krisengebietsreporter gewesen. Daher disponierten wir erstmalig um. Wir wollten Algerien und Tunesien auslassen und direkt von Marokko nach Libyen fliegen. Mit diesem Plan starteten wir in Richtung Nordafrika und Marokko.
Während wir im Königreich Marokko unterwegs waren, verfolgten wir die politische Entwicklung in Arabien äußerst aufmerksam. As sich die Proteste auf Ägypten ausweiteten und auch erste Demos in Syrien, Libanon, Jordanien und auch in Marokko gemeldet wurden, beschlossen wir zu handeln. Für uns (wie vermutlich auch alle Anderen) wurde die Situation unüberschaubar. Wir verbrachten die meiste Zeit unserer Marokkoreise in Internetcafés um uns auf dem Laufenden zu halten. Es war unklar in welchen Ländern sich die Situation beruhigen würde und wo vielleicht gefährliche Konflikte ausbrechen würden. Eines war hingegen klar: eine Tour durch Arabien um Land und Leute kennenzulernen ist unter diesen Umständen nicht möglich. Wir entscheiden uns daher nach langem Grübeln diese Tour abzubrechen. Leicht haben wir uns die Entscheidung nicht gemacht, aber letztendlich bedeutet Reisen auch, dass man sich nicht an unlösbaren Situationen festbeißt, sondern flexibel reagiert
Innerhalb weniger Tage sind wir also zurück nach Deutschland geflogen, haben uns ein neues Reiseziel gesucht (unsere Wunschliste ist lang) und sind erneut aufgebrochen.
Wohin verrate ich heute noch nicht, schließlich soll es ja auch in den nächsten Reiseberichten spannenden bleiben.
Es tut mir leid, dass ich heute nicht mit einem spannenden Reisebericht dienen konnte, aber nach all diesen eher formalen, organisatorischen und politischen Informationen geht es dann beim nächsten Reisebericht Richtung Marokko. Nach Marokko geht es dann weiter nach….ach das wollte ich ja noch nicht verraten.
Anfang Januar starteten wir in Granada, im südspanischen Andalusien, unsere Reise. Ein guter Ausgangspunkt für eine Arabienreise, da Granada über Jahrhunderte hinweg die Hauptstadt der Araber während der Herrschaft der Mauren auf der Iberischen Halbinsel war.
Besonders eindrucksvoll ist hier natürlich die gewaltige Palastanlage der Alhambra. Mehrere Generationen von Kalifen bauten sich hier jeweils neue, eigene Paläste. Jeder suchte alle anderen zu übertreffen und so zeugen die Prachtbauten von einer unglaublich filigranen, orientalischen Baukunst, die der abendländischen zu dieser Zeit sehr weit überlegen war. Filigrane Ornamente, geschwungene Bögen, herrliche Brunnenanlagen und der Hang zur Symmetrie sind in meinen (architektonisch unbedarften) Augen der größte Unterschied zu den dunklen, kalten und klobigen Trutzburgen im frühmittelalterlichen Abendland. Wir wollten uns hier aber gar nicht so lange aufhalten und so schnell wie möglich weiter nach Afrika.
Die Fähre über die Straße von Gibraltar startet zwar im spanischen Tarifa, aber einen Besuch der britischen Exklave Gibraltar ließen wir uns natürlich trotzdem nicht entgehen. Auf einer kleinen Halbinsel Spaniens liegt hier ein winziges Fleckchen von Großbritannien. Wir müssen durch die Passkontrolle, Euros in Englische Pfund wechseln und auf einmal geht es nur noch mit Englisch weiter. Bei dieser Gelegenheit futtern wir natürlich die typisch englischen Fish&Chips und laufen hinauf zum Wahrzeichen dem „Rock“ - dem „Felsen von Gibraltar“. Dieser eindrucksvolle Felsen bildet die europäische der beiden antiken Säulen des Herkules. Die andere liegt im afrikanischen Marokko. Für die alten Griechen endete an der Straße von Gibraltar das Mittelmeer und damit ihre bekannte Welt. Heute tummeln sich hier viele Touristen und Affen. Wir schauen sehnsüchtig hinüber nach Afrika…morgen geht unsere Fähre.
Breit ist die Straße von Gibraltar nicht. Man kann die circa 15km locker überblicken und mit der Schnellfähre dauerte die Überfahrt eine Stunde. In Tanger kamen wir an und wurden, kaum dass wir den Hafen verlassen hatten, von einer Schar von Männern belagert. Jeder hatte das beste Hotel für uns und gegen ein kleines Bakschisch würden sie uns führen. Wir merkten schnell, dass wir uns an diese hartnäckige Zudringlichkeit erst noch gewöhnen mussten. Auch wenn die natürlichen Gegebenheiten hier in Afrika nicht anders waren als im 15km entfernten Europa, die Unterschiede in Kultur und Mentalität sind enorm. Ich glaube es gibt weltweit nur wenige „kulturelle Grenzen“ mit solch gewaltigen Differenzen auf so engem Raum wie hier an der Straße von Gibraltar.
Marokko ist in vielerlei Hinsicht ein modernes Land: neue Autos und eine nicht zu übersehende, rege Bautätigkeit. Mit einem blitzblanken Zug sind wir von der Mittelmeerküste ins sagenhafte Marrakesch gereist. Kaum hatten wir, jedoch den topmodernen und trotzdem wunderschönen orientalisch angehauchten Bahnhof verlassen, mussten wir schon um Taxipreise feilschen. In der Medina (Altstadt) fanden wir auch gleich eine Unterkunft und stürzten uns noch am gleichen Abend ins berühmteste Getümmel Marokkos: Der Djemaa el Fna – der zentrale Platz in der Medina diente früher als Platz für öffentliche Hinrichtungen. Heute drängen sich hier Schlangenbeschwörer, Schreiber, Souvenirhändler, Geschichtenerzähler, Akrobaten und Tänzer sowie Duzende verschiedener Garküchen. Das bunte Treiben ist Jahrhunderte alt und es ist so typisch orientalisch, dass die UNESCO es auf die Liste des lebendigen Kulturerbes der Menschheit gesetzt hat. Richtig in Fahrt kommt das Schauspiel gegen Abend, nun sind alle Stände aufgebaut und die Menschen drängen sich wie beim Jahrmarkt um sich zu amüsieren, zu handeln, zu feilschen oder einfach nur um das Flair zu genießen. Will man dem Trubel etwas entgehen, braucht man nur dem Werben des Garküchenpersonals nachzugeben und kann bei lecker Couscous und extra süßen marokkanischen Pfefferminztee in die Beobachterposition wechseln. So toll der Djemaa el Fna auch ist, dass unverfälschte Flair des Orients findet sich erst in einem der zahlreichen Souks – den traditionellen Basaren Marokkos. In den Souks kann man sich ganz prima verlaufen. Obwohl wir wirklich nur den Rand „angekratzt“ haben, war uns häufig nicht ganz so klar wo es langgeht. Vermutlich gibt es hier mehr als 100.000 Läden in denen man alles kaufen kann. Die Händler sind sehr zudringlich, aber freundlich. Will man mehr als ein bis zwei Fotos machen, muss man auch was kaufen…eigentlich fair, da die Hauptattraktion sicher der Souk, also der Basar an sich ist. Die Läden in den kleinen Gassen, Hinterhöfen oder überdachten Sträßchen sind in ihrer Gesamtheit malerisch und dürften vor Jahrhunderten kaum anders gewirkt haben. Die „Kunst des Verkaufens“ anders kann man es kaum nennen, wurde von den hiesigen Händlerfamilien in Generationen zu ungeahnter Blüte getrieben. Die Händler sind penetrant, was einem Mitteleuropäer sicher zuerst verschreckt und später nervt, aber bei tausenden Konkurrenten müssen sie das auch sein. Zielsicher erkennen sie die Nationalität der Passanten und sprechen diese in ihrer Muttersprache an. Ganze Verkaufsgespräche können sie locker in Dutzenden Sprachen führen. Häufig konnte ich beobachten wie Händler in ruhigeren Momenten Wörterbücher wälzten. Für welche Ware man sich am Ehesten interessiert, dass weiß der Händler bevor man es sich selbst bewusst ist. Es wird eine kleine Geschichte erzählt/erfunden von einem nahen Verwandten der auch in Deutschland gelebt hat, wie schön es doch in Deutschland ist und tatsächlich kennen sie einige Städte und wissen auch grob wo diese liegen. Die Frau bekommt dann nur mal so, probehalber, einen Schal umgelegt…der Spiegel, ach so der Spiegel, ja der steht hinten im Laden. Und schwupp ist man im Laden. Einfach wieder weggehen, geht schlecht, weil der Händler aufmerksam darauf achtet, wie zufällig, im schmalen Ausgang des Ladens zu stehen. Wegschubsen? ... einen so netten Mann wegschubsen? … das wäre ja hochgradig rüde. Gesten, dass man wieder heraus möchte, werden irgendwie, von dem sonst so aufmerksamen Mensch, nicht registriert. Ringt man sich zu der Unhöflichkeit durch, direkt zu sagen, dass man gehen möchte, versteht der Mann auf einmal kein Wort mehr. Die ganze Situation ist aber keineswegs bedrohlich im Gegenteil. Geschickt zeigt der Händler Achmed - alle Händler heißen Achmed, weil sie wissen, so wird es irgendwie von den Touristen erwartet – dieses und jenes und erzählt Anekdoten, der Preis geht immer weiter runter und eigentlich gefällt einem der Schal, die Schale, die Schnitzereien wirklich ganz gut. Auf einmal kostet der Schal nicht mehr 90 Dirham wie zu Anfang, sondern es gibt zwei für 70 Dirham. Kann man da noch widerstehen? Wo sie doch so schön sind, reine Naturprodukte, von Touareg gefertigt und genau dieser und nur dieser Schal farblich so mit dem eigenen Teint harmoniert? Nein, kann man nicht… man kauft! Also gibt es noch ein schönes Foto mit Achmed, der tatsächlich aussieht als wäre er schon persönlich von den 40 Räubern beklaut worden, und wir verlassen freudestrahlend den Laden. Achmed, oder wie auch immer er heißt, grüßt noch mal und wünscht eine gesegnete Reise und weiß der er mal wieder gewonnen hat. Spätestens fünf Läden weiter hängt der gleiche Schal noch mal mit einem Zettel dran: „20 Dirham“ und spätestens jetzt ist klar: Man hat nicht nur einen Schal gekauft, sondern auch eine Kostprobe Jahrhunderte alter „Verkaufskunst“. Im Souk wird aber nicht nur verkauft, auch Handwerker haben hier seit Jahrhunderten ihre kleinen Werkstätten: Es wird geschnitzt und gedrechselt, Wolle gefärbt, Messing geschmiedet, Schuhe werden geflickt u.v.m. Auch hier dürfte sich seit dem Mittelalter kaum etwas geändert haben. Es ist kaum zu glauben, wie geschickt die verschiedensten Dinge gefertigt werden und man wird nicht müde zu zuschauen. Das Vorführen der Fertigung gehört mit zum „Geschäftsmodell“: Zuschauen ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht und es ermöglicht einen eleganten, unverfänglichen Einstieg in ein Verkaufsgespräch. Natürlich wird hier nicht nur auf hohem Niveau produziert, es wird selbstverständlich mit der gleichen Begabung auch verkauft. Das Einkaufen auf dem Souk ist häufig sehr langwierig, stellenweise nervig und es ist definitiv nicht so effizient, wie in unseren Bau- und Supermärkten. Ob es billiger oder teurerer ist, hängt von den eigenen Erfahrungen und Fähigkeiten im Handeln ab Aber eins ist sicher: An Kurzweil, Farbenpracht, Exotik und Authentizität ist es unübertroffen. |
Nach einigen Tagen im quirligen Marrakesch wollen wir in die Wüste. Etwas mehr Ruhe und Sonne als im verregneten Marrakesch, darauf freuen wir uns. Im Bus wurde unsere Hoffnung je zerstört: Offensichtlich hatten wir einen sehr religiösen Busfahrer, jedenfalls startete er umgehend eine Koran - Rezitierung (sechs Stunden ohne Pause) über die Musikanlage. Die Lautstärke war unglaublich, vermutlich würden dafür in Deutschland Discotheken wegen Lärm geschlossen. Dumm war die Idee, sich etwas göttlichen Beistand zu sichern, auf diesen Straßen aber nicht. Um in die östlichen Wüstengebiete Marokkos zu gelangen, muss nämlich der Hohe Atlas überquert werden. Dieses wilde Gebirge ist fast vegetationslos und nur in den Tälern finden sich manchmal kleine, aber teilweise sehr malerische Oasen. Ein Großteil der Menschen hier lebt traditionell vom Handel und von Reisenden. Schon seit Jahrtausenden wird auf diesen uralten Karawanenwegen gereist und heutzutage ersetzen zunehmend Touristen die traditionellen Karawanen.
Über Ouarzazate reisen wir weiter nach Merzouga, das am Rande der großen Sahara liegt. Von hier aus sind es nur wenige Kilometer bis Algerien, aber die Grenzen sind seit Jahrzehnten geschlossen, außerdem toben momentan sowieso Proteste im Nachbarland und so bleiben wir in Marokko. Riesige ausgedehnte Sandwüsten gibt es in Marokko kaum, aber für eine kleine „Schnuppertour“ reicht es dann doch. Wir handeln mit einem Einheimischen stundenlang, bis wir den Preis auf ca. 1/3 gedrückt haben. (Das ständige Handeln ist Anfangs meist ganz lustig, kostet aber täglich viele Stunden und irgendwann ist es einfach nur noch nervig. Unterlässt man es aber, zahlt man Mondscheinpreise.) Es sind auch noch einige Tschechen mit uns zusammen unterwegs, denen eiskalt das Doppelte berechnet wurde.
Früher brachen gewaltige Karawanen mit hunderten Kamelen von Merzouga auf, um die Sahara zu durchqueren. Hier war der letzte Vorposten des arabischen Kulturkreises, jenseits der Sahara liegt Schwarzafrika. Bis vor ein paar Jahren stand noch ein Schild in Merzouga: „52 Tage bis Timbuktu“ und zeigte mitten in die Wüste. Das war uns dann aber doch zu weit ;-), wir wollten größere Touren später in Ägypten und Libyen unternehmen. Trotzdem wollten wir wenigstens einmal auch die extreme Nachtkälte in der Wüste erleben und starteten nun im Januar zu einem Zweitages Ausflug
Da ich noch nie auf einem Kamel saß, und auch sonst kein sonderlich begeisterter Reiter bin, hatte ich doch Respekt vor den großen Tieren. Wegen ihrer stetig mahlenden riesigen Kiefern, ihren absonderlichen Gluckergeräuschen und einschüchternden Brüllen war ich ganz froh als ich AUF dem Kamel saß…außer Reichweite ;-) Einen richtigen Sattel gab es nicht, aber ein robustes Gestell mit Haltegriff war auf dem Rücken der Tiere geschnallt – nicht komfortabel, aber vermutlich zuverlässig. Als ich nun hoch oben auf meinem Reittier saß und es in eher gemächlichem Karawanentempo losging, war ich froh nicht bis Timbuktu zu müssen. Es schwankt zwar beträchtlich, sonders wenn es Dünenabwärts geht, von der vielzitierten „Seekrankheit“ spürte ich jedoch nichts. Mir machte die ungewohnte Sitzhaltung und mein offensichtlich nicht reitertaugliches Sitzfleisch mehr zu schaffen. Jedenfalls war ich froh als wir nach einigen Stunden ein Zeltlager erreichten und ich meine Füße weder in den Sand setzen konnte. Die ersten Schritte waren noch etwas staksig und unbeholfen, aber schnell waren die Beine wieder ordentlich durchblutet und ich erkundete erst mal ein wenig die Umgebung: Die Zelte standen in Mitten der Dünen und es war später Nachmittag mit herrlichen, weichen Abendlicht. Da ich bei dem Ritt hierher auf dem Kamelrücken schlecht fotografieren konnte, habe ich mich auf das Betrachten und Erleben der Wüste beschränkt. Nun rannte ich, begeistert von der Schönheit der Sanddünen, der Weite und des blauen Himmels, von Sandberg zu Sandberg um diese Schönheit auch in Fotos festzuhalten.
Je weiter die Sonne dem Horizont entgegen sank, desto länger wurden die Schatten und intensiver die Farben. Kleine Strukturen im Sand wurden erst durch die Schatten der tief stehenden Sonne sichtbar und was tagsüber als glatte Fläche schien, enthüllte jetzt seine vielfältig gemusterte Oberfläche. Als die Sonne jedoch endgültig hinter dem Horizont verschwand, wurde es erstaunlich schnell finstere Nacht und kalt. Wüstennächte sind für uns Europäer eindrucksvoll dunkel, da es kein Streulicht irgendwelcher Städte gibt, welches bei uns den Himmel niemals wirklich dunkel werden lässt. Umso beeindruckender die Sterne am Himmel: es sind so unglaublich viel mehr, als man am „hellen“ Nachthimmel in Deutschland sehen kann. Gegen den totalschwarzen Nachthimmel der Wüste heben sich selbst weniger helle Sterne deutlich ab. Der Himmel wirkt wie ein schwarzes lichtdichtes Zelt mit Unmengen feinster strahlender Löcher. Aufgrund der klaren Luft scheinen die großen Sterne so nah, als könnte man sie von der nächsten Düne problemlos vom Himmel pflücken. Wirklich lange bewundern kann man den herrlichen Himmel aber kaum, weil es unglaublich schnell sehr kalt geworden ist.
Kaum waren wir aus der Wüste zurück, wurden wir schneller als uns lieb war mit den neuen Entwicklungen in Arabien konfrontiert. Nachdem in Tunesien und Algerien schon einige Zeit Unruhen herrschten und wir diese Länder notgedrungen von unserer Reiseroute streichen mussten, begann es nun auch in Ägypten zu rumoren. Als auch erste Demonstrationen in Marokko gemeldet wurden, war dies für uns das Zeichen unsere lang herbeigesehnte Arabienreise schweren Herzens abzubrechen. Eine Tour in unserem Sinne, als völlig unabhängige Reisende Land und Leute kennenlernen, war nun leider nicht mehr denkbar.
Wir fuhren zurück nach Deutschland. Innerhalb weniger Tage suchten wir uns ein neues Reiseziel. Viele Ziele standen auf unsere Wunschliste und auch wenn wir der unmöglich gewordenen Arabienreise doch noch ziemlich nachtrauerten, so ist es doch ziemlich einzigartig noch circa vier Monate Zeit für eine spontane Reise zur Verfügung zu haben.
Mittelamerika, Japan, Kanada, Brasilien, Südostasien, Neuseeland, Patagonien und viele andere fantastische Reiseziele galt es gegeneinander abzuwägen…und zwar möglichst schnell. Inzwischen sind wir schon lange wieder unterwegs, wo genau wir nun sind, wird beim nächsten Mal verraten!
Brasilien ist ein Land das uns schon immer faszinierte, das wir aber immer zugunsten anderer südamerikanischer Länder hinten angestellt haben. Größer als Westeuropa und extrem vielfältig in Kultur und Landschaften ist es natürlich ein ideales Reiseziel, nur wird hier Portugiesisch gesprochen und so war es für uns eben immer einfacher gewesen im spanischen Sprachraum zu bleiben.
Aber wir wollten ja auch etwas wirklich Neues kennenlernen…und Brasilien ist neu für uns. Es ist anders als der Rest Südamerikas. Die Kultur und Mentalität im tropischen Brasilien unterscheidet sich grundlegend von den eher indiogeprägten Andenländern Bolivien, Peru und Ecuador oder den eher europäisch geprägten südlichen Ländern Chile und Argentinien.
Wir starteten in Salvador eine der größten Städte des Landes und die Hauptstadt von dem Bundesland Bahia, das ungefähr die Größe von Deutschland hat. Hier im tropischen Nordosten des Landes bildete über Jahrhunderte der Anbau von Zuckerrohr das wirtschaftliche Rückrat des Landes. Unzählige Sklaven aus Schwarzafrika schufteten hier unter der unbarmherzigen Äquatorsonne auf den endlosen Plantagen einer kleinen Europa-stämmigen Elite. Die Nachfahren der Sklaven bilden heute den größten Bevölkerungsteil Bahias. All die afrikanischen Traditionen, Tänze, Gesänge und religiöse Vorstellungen haben sich bis heute gehalten. Sie haben sich mit europäischen und indianischen Vorstellungen durchmischt und so zu einer der reichsten und vielfältigsten Kulturschätze der Welt entwickelt. Das bekannteste „Produkt“ dieser „Traditionsdurchmischung“ ist sicherlich neben Samba und Capoeira der weltbekannte brasilianische Karneval.
Der zweitgrößte Karneval der Welt (nach Rio de Janeiro) findet hier in Salvador statt und war eine Woche nach unserer Ankunft. Wir waren total begeistert, konnten wir doch so dieses Großereignis miterleben. Allerdings wurden wir ziemlich schnell desillusioniert. Die Preise in Brasilien, besonders in Bahia und speziell in Salvador explodieren zur Karnevalszeit, auch ist alles schon seit Monaten (manche Unterkünfte auf Jahre hinaus) ausgebucht. Ohne zu zögern wären wir bereit einen nachvollziehbaren Aufpreis zu zahlen, aber 70 Euro pro Person in einem nicht klimatisierten großen improvisierten Schlafsaal war uns dann doch zu happig. Zwei bis drei Tage wären wir unter Umständen sogar geblieben, aber man kann hier nur mindestens sieben oft auch mindestens zehn Tage am Stück buchen. Reichlich tausend Euro für uns beide für eine Woche auf einer Matratze waren uns deutlich zu teuer. Mit Sicherheit hätte man mit mehr zeitlichen Vorlauf günstigere Konditionen finden können, aber unsere Recherchen bezogen sich ja alle auf Arabien – wir hatten also Pech. Daher entschieden wir uns schnell weiter zu reisen in die „Chapada Diamantina“.
Der Nationalpark „Chapada Diamantina“ ist ein sehr dünn besiedeltes Gebiet im Westen von Salvador. Wir fuhren nach Lençois, der einzigen nennenswerten Siedlung (5000 Einwohner) hier im Nationalpark. Bis vor wenigen Jahren lebten hier alle vom Diamantensuchen, heute spielt Tourismus eine große Rolle. Die Landschaft ist atemberaubend. Gigantische Tafelberge, die höchsten Wasserfälle Brasiliens, enge Schluchten, farbenprächtige Höhlen und all das unter einer sehr abwechslungsreichen Vegetation. Die eher trockenen Hochflächen sind von niedrigen savannenähnlichen Buschwäldern bestanden und in den schattigen Canyons wuchern tiefgrüne, tropische Schluchtwälder. Die Flüsse sind warm und sauber, das Wasser ist trinkbar, aber tiefschwarz und ähnelt einem zu dünn geratenen Kaffee. Die genaue Ursache hierfür konnte mir keiner plausibel erklären. Ich vermute es hängt mir Mineralien zusammen die hier ausgespült werden (sollte ein Geologe, Hydrologe oder andere „Gut-Informierter“ mir dies vielleicht erklären können, wäre ich für eine Mail sehr dankbar).
In den Flüssen könnten natürlich auch heute noch Diamanten gefunden werden und auch wenn es inzwischen im Nationalpark nicht mehr legal ist diese abzubauen, gibt es natürlich immer noch „Garimperos“ – Diamantensucher. Diese harten Burschen bleiben meist eine oder gar mehrere Wochen in der Wildnis bevor sie mit ihren Fundstücken zurückkehren. Man muss wirklich hart im Nehmen sein, will/muss man so sein Geld verdienen. Es ist tagsüber nahezu unerträglich heiß, es gibt giftige Schlangen, Skorpione, Spinnen und sogar, wenn auch extrem selten, Pumas. Die größte Gefahr sind aber vermutlich andere Garimperos. Keiner geht unbewaffnet Diamanten suchen. Es kursieren die wildesten Gerüchte über Mord und Totschlag im gesetzlosen Niemandsland. Sicher ist nicht alles wahr, aber das fehlen einiger Finger bei so manchen Garimperos zeugt von den rauen Sitten. Sogar Sklavenarbeit gibt es noch. Ein Freund von unserem Vermieter – Alfonso (Name geändert), ein Schwarzer Mitte Dreißig – hat uns berichtet wie er noch vor wenigen Jahren unter Sklavenbedingungen arbeitete. Von 1995 bis 1999 wurde er mit Waffengewalt zum Diamantenschürfen gezwungen. Es gab keine Entlohnung, nur Verpflegung und eine Holzbarrake. Das Gebiet ist so riesig, dass es ein Weglaufen ohne Ausrüstung durch die Wildnis unmöglich macht.
Ob Sklaverei heutzutage in der Chapada Diamantina noch aktuell ist, kann ich nicht sagen. Fakt ist jedoch, dass es Sklaverei in Brasilien heute noch gibt, auch wenn sie natürlich schon lange illegal ist. In den weiten Gebieten mit gigantischen privaten Besitztümern herrschen teilweise heute noch koloniale Bedingungen. Spezielle Polizeieinheiten haben in den letzten Jahren ca. 32.000 Sklaven befreit. De Regierung selbst schätzt, dass es weitere 25.000 Sklaven gibt. Menschenrechtler gehen von rund 200.000 Sklaven in Brasilien aus. (Quelle: Artikel Tagesschau.de: „Auf Sklavensuche in Brasilien“, 26.Februar 2011)
Es war kaum zu glauben, was uns Alfonso berichtete, aber Brasilien ist eben ein zweigeteiltes Land. Moderne, weltoffene, touristische Städte und eine unglaublich boomende Wirtschaft, aber eben auch unbeschreibliche Armut, Gewalt, Kriminalität, Korruption, Umweltzerstörung und Rassendiskriminierung. Gerade in den letzten Jahren, mit Präsident Lula, hat sich hier unglaublich viel zum Positiven gewandelt, aber es bleibt ein weiter Weg.
Beim nächsten Mal geht es dann hinein in die fantastische Natur der Chapada Diamantina - auf tollen Touren zu Höhepunkten des Nationalparks.
Das bekannteste Postkartenmotiv der Chapada Diamantina ist der Blick vom Berg Pai Inacio hinein in die weiten Täler zwischen den Tafelbergen. Ich hatte das Foto im Reiseführer gesehen und wollte unbedingt selbst dieses Panorama erleben, auch wenn ich Tage dorthin wandern müsste. Es stellte sich jedoch heraus, dass man sogar mit dem Bus hierher fahren kann. Lediglich die letzten zwei Kilometer muss man laufen und so konnten wir völlig ausgeruht den Sonnenuntergang genießen. Circa 300 Meter ragt „unser“ Tafelberg über die Ebene hinaus. Während sich die Sonne weiter und weiter senkte, krochen die Schatten der Berge immer schneller wachsend über die Urwälder zu unseren Füßen. Erholt und voller Tatendrang saßen wir nun hier im Sonnenuntergang und planten unseren nächsten Tag. Es sollte zum Sossego Wasserfall gehen. Am Ende einer Schlucht gelegen ist dieser Wasserfall nur auf einer circa sieben Kilometer langen Kraxeltour zu erreichen. Sieben Kilometer klingen nicht viel, aber wir sollten eines besseren belehrt werden. Wir starteten am Morgen und es war bereits unglaublich heiß. Kein Wunder, denn es sind von hier nur ein paar 100 Kilometer bis zum Äquator und zurzeit herrscht hier die Hitzeperiode. Auf den ersten drei Kilometern gibt es sogar Trampelpfade und so erschien uns trotz literweise Schwitzens alles gar nicht so wild. An einem Flüsschen mussten wir dann allerdings jeglichen Weg verlassen und uns weiter flussaufwärts, von Stein zu Stein springend, voran arbeiten. Ab und zu konnte man auch mal ein paar Meter am Ufer durch das Unterholz kraxeln, aber das war eigentlich fast noch schlimmer. Wir gingen weiter und bald stiegen die Ufer links und rechts immer weiter an. Erst bewegten wir uns in einem Graben, aber die Seitenwände wurden immer höher und irgendwann befanden wir uns am Grund einer Schlucht. Bis zu 90 Meter hoch reichen die senkrechten Felsen und trotzdem gibt es so gut wir keinen Schatten, da die sengende Äquatorsonne senkrecht auf uns hernieder brennt. Nur ab und zu rieselt ein ganz feiner Nieselregen herab. Diese viel zu seltene und hochgradig willkommene Abkühlung verdanken wir kleinen Rinnsalen die oben über die Kanten fließen und stellenweise fast vollständig beim Herunterrieseln zerstäuben. Herrlich! Meist aber arbeiten wir uns völlig ungekühlt durch die unwegsame Schlucht: noch ein Sprung, noch ein Sprung und wieder….Es ist eigentlich kein zu schwerer Weg, aber man muss sich eben extrem konzentrieren, weil zwischen den riesigen Steinen (meist fünf bis sechs, maximal zehn Meter große Brocken) metertiefe Lücken klaffen. Selbst ein einziger Fehltritt, auch wenn er nur zu einem verstauchten Fuß führt, wäre hier ein großes Problem. Als wir so langsam zu zweifeln beginnen ob diese Tour eine gute Idee war, schlägt hinter einer Biegung uns ein kühler, nahezu kalter, Luftzug entgegen. Es ist unglaublich wie das unsere halbvertrockneten Gehirne wieder motivierte. Natürlich war uns sofort klar, dass diese herrliche Kühle den Wasserfall ankündigte und damit das Ende der Schlucht bedeutete. Die letzten paar Meter ging es mit doppelten Tempo weiter und dann ein Sprung samt Klamotten (die waren sowieso klatschnass durchgeschwitzt) ins herrliche Wasser. Der Wasserfall hat mit seiner Kraft einen natürlichen Pool geschaffen und wir planschten wie wild darin herum. Am imposantesten (fast beängstigend) fand ich es nahe an das hernieder stürzende Wasser heran zu schwimmen. Ist man nur wenige Meter von dem Wasserfall entfernt, ist es unglaublich laut und der Blick auf all das auf-einen-zu-fallende Wasser ist unbeschreiblich. Richtig darunter geschwommen bin ich aber nicht. Die Wucht des 90 Meter heruntergefallenen Wassers ist mir zu gewaltig und außerdem bekommt man in all der aufgewirbelten Gischt beim Atmen meist mehr Wasser als Luft in den Mund. Was für eine herrliche Pause: Ganz allein sitzen wir vor dem Wasserfall und futtern unsere mitgebrachten Semmeln und genießen es wie langsam die Kälte in uns hineinkriecht. Als wir nach einer Weile tatsächlich ein wenig zu frösteln beginnen – ein Gefühl dessen Existenz wir vor einer Stunde noch rundheraus abgestritten hätten- machten wir uns auf den Rückweg. Inzwischen ist es Nachmittag und der Canyon liegt meist im Schatten. Wir kommen zügig voran bis Stefanie vor mir mit einem spitzen Schrei in einen gewaltigen Satz zurückschnellt. Eine Schlange! Man hatte uns eindringlich gewarnt: Es gibt hier viele Schlangen und einige Arten sind sehr giftig. Am Augenfälligsten sind die Korallenkobras (alle Schlangen werden von den Einheimischen hier „Kobra“ genannt) mit ihrer charakteristischen rot, weiß, schwarzen Ringelfärbung. Ich schaue um die Ecke und tatsächlich: rot – weiß – schwarz. Nur zehn Zentimeter stand Stefanie daneben. Die Schlange bleibt total ruhig. Vermutlich wollte sie sich an dem Wasser auch nur ein wenig abkühlen. Wir umgehen die Schlange weiträumig und sind froh sie erst auf dem Rückweg entdeckt zu haben…ich glaube kaum, dass wir sonst so entspannt schwimmen gewesen wären. Nachdem wir mit Wasserfällen nun auf den Geschmack gekommen waren, wollten wir natürlich auch zum Cachoeira Fumaça, dem zweithöchsten Wasserfall Brasiliens (353 Meter). Hier hatten wir ziemlich Glück mit dem Wetter: Es war ganztägig bewölkt und auch wenn es gegen Abend zu Gewittern begann, war es dadurch den ganzen Tag nicht zu heiß. Auch der Weg dorthin ist ein breiter, von täglich Dutzenden Wanderern begangener, einfacher Pfad. Am Ziel der kurzen Wanderung steht man oben an der Absturzkante und kann dem Wasser hinterher schauen wie es in der Tiefe verschwindet. Cachoeira Fumaça bedeutet so viel wie „Rauch- oder Nebelwasserfall“ und tatsächlich ist das ganze Wasser bevor es im Tal aufschlägt komplett in feinste Nebeltröpfchen zerstoben. |
Wasserfälle hatten wir nun langsam genug gesehen, aber die Kombination von Wasser und Bergen kann auch andere Naturwunder formen: Es gibt fantastische Höhlen und tiefe Cañons und etwas weniger spektakuläre Wasserrutschen.
Letzteres war keine 20 Minuten von unserer Bleibe entfernt und wir liefen einige Male durch die Sonnenglut zur Abkühlung hierher. Der Fluss fließt hier eine ca. 45° geneigte schiefe Ebene hinunter. Am unteren Ende ist wieder ein natürlicher Pool mit ca. 40m im Durchmesser ausgespült. Man kann hier ganz prima schwimmen oder wenn man es seinem Steißbein zutraut, kraxelt man am Ufer den Hang hinauf, geht vorsichtig in die Flussmitte und rutscht los. Am Rand ist der Fluss nur so ca. 20 Zentimeter tief und die Steine sind relativ glatt…hier ist die ebenste Stelle. Auch wenn das ein bisschen wie Spaßbad klingt, es ist und bleibt Natur. Kein TÜV-Mensch hat hier Nachbesserungen gefordert und so bleibt das Rutschen für Badehose und Bandscheiben ein verschleiß förderndes Vergnügen! Die Dorfjugend hat natürlich für all das schon eine Lösung gefunden….eine Lösung die ordentlich Eindruck schindet: Sie schlittern im Stehen die 30 Meter hinunter und im Idealfall krönen sie ihren Stunt mir einem gekonnten Kopfsprung, wenn sie den Pool erreichen. Es gelingt zwar nicht immer, macht aber natürlich was her.
Viele der Flüsse haben sich auch in die Berge gegraben und fließen unterirdisch. Dabei sind ausgedehnte Höhlensysteme entstanden. Einige davon sind viele Kilometer lang, andere sehr klein, viele sind trocken und einige sind zumindest teilweise geflutet. Eine der schönsten Höhlen ist die Poço Encantado, die „verzauberte Höhle“. Die gewaltige Halle hat einen Durchmesser von circa 200 Metern und ist knapp 100 Meter hoch. Man muss einige hundert Meter durch den Berg hindurch, an Tropfsteinen vorbei, um hier hinunter zu gelangen. Teilweise ist die Höhle geflutet und das Wasser bildet einen über 15 Meter tiefen See. Durch ein kleines Loch, halb vom Urwald zugewuchert, scheint Tageslicht in das Wasser hinein und lässt es ganz sanft bläulich erglimmen. Natürlich ist es ziemlich finster und ich bin dadurch beim fotografieren zu extrem langen Belichtungszeiten gezwungen. Das Ergebnis ist ein klein wenig überraschend: Der Fotoapparat „sammelt“ circa 30 Sekunden lang das Licht um das Foto ausreichend belichten zu können. Die Farben werden dadurch sehr intensiv und entsprechen nicht ganz dem optischen Eindruck, den man selbst in der Höhle hat….allerdings ist dies ein ganz normaler physikalischer Effekt und hat nichts mit Fotobearbeitung zu tun.
Die eindrucksvollste Höhle ist jedoch die Poço Azul, „die blaue Höhle“. Auch diese liegt nah an der Oberfläche, sodass hier ebenfalls durch ein kleines Loch Licht in die Höhle gelangt. Auch in dieser Höhle gibt es einen kleinen See, das Wasser ist allerdings herausragend klar. Obwohl das Wasser über 30 bis 40 Meter tief ist, kann man selbst bei der schummriger Ausleuchtung hier unten den Grund und wirklich jedes Steinchen deutlich sehen. Wenn man in das Wasser hineinschaut, sieht man wie die Felswände sich immer weiter in die Tiefe fortsetzen, auch wenn man dies fälschlicherweise zuerst für Reflexionen der Höhlendecke hält. Im Halbdunkel ist es unmöglich die Oberfläche des superklaren Wassers auszumachen, was zu einem unglaublichen Effekt führt: schwimmt jemand in diesem klaren Wasser (das ist hier tatsächlich erlaubt), sieht man nichts von dem Wasser…der Schwimmer scheint in der dunklen Höhle zu schweben. Wirklich ein ungewöhnlicher Anblick! Noch eigentümlicher ist das Ganze natürlich für den Schwimmer. Wenn man mit Taucherbrille und Taschenlampe nach unten schaut, sieht man viele Meter weiter unter sich den Boden. Man weiß, dass man schwimmt, man fühlt ja logischerweise auch das Wasser und trotzdem hat man das Gefühl zu schweben. Irgendwie war ich auch froh, als ich wieder aus dem Wasser raus war…ohne abgestürzt zu sein ;-)
Ganz im Süden des Nationalparks liegt der Buracao Cañon. Mit einem Allradfahrzeug kommt man recht nah heran, lediglich die letzten drei Kilometer müssen gelaufen werden. Dieses Naturwunder liegt auf Privatland und so MUSS man bei einer, vom Eigentümer ermächtigten, Tourismusagentur einen Wanderführer buchen. Überhaupt liegen fast alle Höhepunkte des Nationalparks genaugenommen gar nicht im Nationalpark sondern knapp außerhalb. Bei der Ausweisung des Schutzgebietes haben die Großgrundbesitzer sehr genau aufgepasst (und dies mit ihrer Macht auch durchgesetzt), dass die Touristenmagnete außerhalb bleiben. So muss jedes Mal ein „Eintritt“ gezahlt werden.
Buracao ist allerdings weit abgelegen und wenig besucht und so hatten wir lediglich noch ein brasilianisches Pärchen in unserer „Gruppe“. Die drei Kilometer sind einfach zu laufen, trotzdem startete unser Wanderführer mit einem sportlichen Erwärmungsprogramm wie vor einem Marathonlauf. Bei knapp 40°C Hitze und für 45 Minuten Wanderung kam uns das etwas albern vor, die Brasilianer waren jedoch mit Feuereifer dabei.
Zuerst geht es eben am Fluss entlang über eigentümlich schroff erodiertes Gestein immer flussabwärts. Auf einmal verlassen wir die Ebene und steigen sehr steil in einen Schlucht ab und sind im Nu von einer üppigen Vegetation umgeben. Herrliche Wasserfälle vom tropischen Urwald umrahmt liegen am Weg. Wir haben leider kaum Zeit sie gebührend zu bewundern, denn es geht zügig weiter. Unvermittelt stehen wir an einem kleinen Fluss und hier scheint der Pfad endgültig zu enden: Überall um uns herum ragen die steilen Wände des Cañons auf. Tatsächlich heißt es jetzt schwimmen und zwar gegen den Strom. Der Cañon ist hier weniger als fünf Meter breit und die Wände ragen circa 80 Meter nahezu senkrecht auf. Das Wasser ist schwarzbraun wie Kaffee und ein weißer Schaum (völlig natürlich entstanden) bildet seltsame Muster darauf. Stefanie stürzt sich ins Wasser und paddelt los. Die Strömung ist nicht zu stark und so kämpft sie sich tapfer durch die circa 200 Meter lange Engstelle der Schlucht. Gerne wäre ich auch geschwommen – schon allein wegen der willkommenen Abkühlung – nur mit meinem Fotoapparat geht das nicht. Es gibt eine Alternative zum Schwimmen und die heißt Klettern. Zuerst muss man hierzu über ein Brett (es gibt ein Halteseil) laufen, dass man in circa fünf Metern Höhe einfach quer zwischen die Felsen gekeilt hat. Auf der anderen Seite gibt es einen Klettersteig. Das Gestein aus dem das Wasser den Cañon heraus gearbeitet hat, ist aus waagerechten Schichten aufgebaut. Jede Schicht ist so ungefähr 30 Zentimeter mächtig und bei jeder Schicht ist der Grad der Erosion verschieden. Manchmal kann man daher ganz bequem gehen und manchmal sind es aber auch nur wenige Zentimeter auf den man seine Füße setzen kann. Die etwas breiteren Stellen nutze ich um den eindrucksvollen Canon zu fotografieren, dann kraxle ich auf den gischtnassen Steinen weiter.
Am Ende der Schmalstelle verbreitert sich die Schlucht und bildet einen exakt kreisrunden Kessel. Der Kessel hat einen Durchmesser von über 100 Metern, ist circa 100 Meter hoch, hat absolut senkrechte Wände und der Boden ist zu 99% mit Wasser gefüllt. Ein riesiger Wasserfall stürzt mit unvorstellbarer Gewalt in dieses Gesteinsloch und füllt es mit Wasser und Gischt. Lediglich an der Wasserfallabgewandten Seite gibt es einen kleinen Felsvorsprung wo sich circa zehn Personen aufhalten können…hier machen wir Rast und genießen das (vermutlich) einzigartige Schauspiel wenige Meter vor uns. Es ist ein eigenartiges Gefühl: Ein gigantisches Loch mit unüberwindbaren, riesig hohen Felswänden, alles mit Wasser geflutet bis auf ein kleines Fleckchen wo man gemütlich sitzen kann. Man schaut wie gebannt auf das hernieder prasselnde Wasser und immer wieder schaut man unbehaglich zu dem kleinen Ausgang aus diesem Hexenkessel. Irgendwie ist man dann doch immer wieder froh, dass er immer noch da ist ;-)
Rückwärts schwimme ich durch den Cañon und Stefanie kraxelt mit dem Fotoapparat zurück. Auf dem Rücken liegend lass ich mich von der Strömung sanft treiben. Der Blick nach oben zeigt nur ein sehr schmales Band Himmel. Inzwischen ist dieser Himmel allerdings nicht mehr blau. In den letzten zwei Stunden hatte er sich stark zugezogen. Ein anderer Guide kommt uns aufgeregt entgegen: Wenige Kilometer von hier hat es bei einem lokalen Gewitter extrem viel geregnet und die Flüsse steigen rasant an. Alle müssen schnellstmöglich raus aus dem Cañon. Wir hatten ja bereits den Wanderpfad wieder erreicht, aber eine Familie war noch im „ Kessel“. Der Guide flitzte wie der Wind den Kletterpfad entlang und holte schnell alle aus dem Gefahrenbereich. Auf unserem Rückweg entlang des Flusses sahen wir dann auch, dass der Wasserspiegel circa einen dreiviertel Meter gestiegen war (in ca. 20min.) Da hatten wir noch mal Glück gehabt.
Nun verlassen wir die Chapada Diamantina und es geht weiter Richtung Süden, zu herrlichen Stränden und tropischen Inseln. Dazu mehr im nächsten Reisebericht.
Wenige Stunden außerhalb der übervölkerten Millionenmetropole Rio de Janeiro liegt die Ilha Grande. Selbst ein Hollywoodregisseur hätte sich kaum eine bewegtere Geschichte für eine Insel ausdenken können: Zuerst war hier ein beliebter Rückzugshafen für Piraten (verbuddelte Schätze sind noch heute zu finden), später diente die Insel als Sklavenumschlagplatz, Leprakolonie und wurde danach als Gefängnisinsel für Schwerverbrecher genutzt. Hierzu gibt es auch wieder wilde Fluchtgeschichten bei denen Gefangene es mit selbstgebastelten Flößen tatsächlich über den offenen Ozean bis Argentinien geschafft haben sollen. Erst 1993 wurde das Gefängnis gesprengt und die Insel für Zivilisten freigegeben. Nur keiner wollte hier leben. Der Ruf der Insel war so mies, dass lediglich ein paar wenige Fischer (meist sogar nur zeitweilig) hier siedelten. Für die Natur stellte sich das alles als ein Glücksfall heraus. Während der Großraum von Rio und die komplette Küstenlinie (die berühmte Costa Verde) größtenteils abgeholzt und mit Straßen und Siedlungen voll gebaut wurden, blieb die Ilha Grande unberührt. Inzwischen wurde die Insel zum Nationalpark erklärt und die paar Hundert Menschen leben hier unter strengen Naturschutzgesetzen. Tourismus ist heute mit Abstand der wichtigste Wirtschaftsfaktor der Insel.
Wir setzten mit einem Versorgungsschiff auf die Insel über. Der Bootseigner hatte zwischen Unmengen Getränkeflaschen, Baumaterial und Melonen noch ein Plätzchen für uns. Das Wetter war zugezogen und so sah alles eigentlich eher trübe als paradiesisch aus als wir anlandeten. Ganz kurz ragte der „Pico do Papagaio“, ein fast 1000 Meter hoher Berg geformt wie ein Papageienschnabel, aus den Wolken heraus und so fühlten wir uns tatsächlich wie auf einer Pirateninsel. Die nächsten paar Tage sollte es nur regnen. Das ist besonders ärgerlich, da es zum Einen auf der Insel deutlich teurer ist, als auf dem Festland und zum Anderen, kann man hier bei Regen absolut gar nichts unternehmen. Es ist wirklich erstaunlich wie viel Gewalt so ein tropisches Gewitter entwickelt, man könnte meinen da wird schon mal der Weltuntergang geprobt.
Bei Sonnenschein ist es wunderschön. Man kann mit Booten Ausflüge zu den vielen Stränden der Insel unternehmen oder auf Wanderwegen dorthin laufen. Die Wanderwege sind eigentlich gut zu laufen, aber man hat wieder den altbekannten Feind: die Hitze! Ich weiß, dass ich mich hier wiederhole, aber es ist halt einfach zum Verzweifeln wenn man einen Wasserverbrauch von einem halben Liter pro Kilometer nur durch reines Schwitzen hat ;-)
Aber es lohnt sich natürlich. Wenn man nach ein paar Stunden schweißtreibenden Wanderns an herrlichen und teilweise nahezu menschenleeren Sandstränden ankommt. Nun ein Sprung ins kühle Nass des Atlantiks. Besonders die Ostseite der Insel ist bekannt als Surferparadies. Hier trifft die Urgewalt des offenen Ozeans auf den flachen Standstrand der Insel. Das Ergebnis sind gleichmäßige, kraftvolle Wellen wie sie von Surfern aus aller Welt geschätzt werden.
Manchmal muss man allerdings gar nicht bis zum Strand wandern, wenn man sich abkühlen möchte. Ab und zu gibt es kleine Flüsschen und Bäche die auch immer wieder kleine Wasserfälle bilden. Eine unbeschreiblich willkommene Abkühlung. Ich habe diese Stellen dem Meer immer vorgezogen, hier gibt es nämlich keinen feinen Sand der sonst unweigerlich seinen Weg bis zu Fototechnik findet und außerdem erfrischt Süßwasser mehr als das klebrige Salzwasser. Bei einem Bad im Wasserfall inmitten tropischer Vegetation kann man sich außerdem auch mal richtig wie Tarzan fühlen.
Nach einiger Zeit auf der Ilha Grande wollen wir noch ein paar Tage in Rio verbringen. Leider hatten wir hier kein Glück mit dem Wetter: Regen, Regen, Regen und tiefhängende Wolken. Wir hatten daher keine Chance das berühmte Rio de Janeiro zu bewundern und brachen daher zügig auf in Richtung Süden. Unser Ziel ist fürs erste Blumenau, dem Zentrum deutscher Einwanderer in Brasilien.
Knapp 20 Stunden im vollklimatisierten Bus waren wir von Rio de Janeiro aus unterwegs bis nach Blumenau. Klimatisiert klingt ganz prima bei der tropischen Hitze draußen. Das Problem ist allerdings, dass eigentümliche Temperaturempfinden der Brasilianer. Die Busse werden tatsächlich auf circa 20°C herunter gekühlt…also ein gewaltiger Temperatursturz. Es ist schon ein lustiger Anblick, wenn bei 40°C die Leute mit dicken Decken, Jacken und Kissen am Busbahnhof warten. Aber man braucht die kuscheligen Decken bei der Kühle im Bus eben tatsächlich.
Schon in der Umgebung von Blumenau sind uns etliche vertraute Dinge aufgefallen. So hießen beispielsweise viele Ladenbesitzer auf einmal Schulze, Müller, Schmidt und Vogel. Wir sahen die ersten waschechten Fachwerkhäuser und fast die Hälfte aller Autos waren von Volkswagen. In Blumenau selbst wohnten wir in dem Fachwerk-Hostel „Herman“ und es gab zum Frühstück schon Wurst, was sonst in Brasilien undenkbar ist.
Die Existenz dieser deutschen Stadt geht auf Herrn Herman Bruno Otto Blumenau zurück. Er gründete 1850 die Stadt und viele Deutsche strömten nach. Die ganze Region war lange Zeit von den deutschen Einwanderern geprägt und Deutsch war sogar die übliche Verkehrssprache für circa ein Jahrhundert. Erst im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde Deutsch als Sprache verboten und den ansässigen Deutschen in vielerlei Hinsicht das Leben extrem schwer gemacht. Inzwischen hat sich vieles wieder gelockert, aber viel der deutschen „Infrastruktur“ wie Schulen, Vereine, Kirchen und so weiter wurde dauerhaft zerstört.
Bei unserem Besuch im historischen Museum der Stadt, dem ehemaligen Wohnhaus des Herrn Blumenau, trafen wir eine kirchliche Frauengruppe. Sie gehören alle zur deutschen Kirchgemeinde und sind Nachfahren deutscher Einwanderer. Alle stammen aus den Dörfern der Umgebung und machen einen gemeinsamen Ausflug nach Blumenau. Als sie erfahren haben, dass wir „richtige“ Deutsche sind, waren sie ganz begeistert und wir sind von den Damen auf das herzlichste begrüßt worden. Es haben sich alle, selbstverständlich auf Deutsch, vorgestellt und es war ein schönes Gefühl so fern von zu Hause so vertraute Namen zu hören. Viele der Frauen hatten unglaublich viele Fragen zu Deutschland, aber auch zu unserer Meinung zu Brasilien und natürlich zu Blumenau. Ich hatte den Eindruck, dass sie selbstverständlich ihr Blumenau lieben, aber es gibt eine riesige Sehnsucht nach Deutschland, dem Land ihrer Groß- und Urgroßväter. Viele, aber nicht alle, waren auch schon mal in Deutschland bzw. haben sogar einige Jahre dort gelebt. Sie berichteten lebhaft wie schön es doch in der alten Heimat sei…die negativen Seiten verdrängt man natürlich. Es sind manchmal nur kleine Dinge die sie hier in Blumenau vermissen. So gedeihen im tropischen Brasilien keine Rosen, was sie tatsächlich als einen großen Verlust empfinden. Es gibt zwar Jahreszeiten, es ist manchmal heißer oder weniger heiß, aber den Wandel von sprießenden Frühling, lauschigen Sommer, bunten Herbst und klirrend kalten, weißen Winter kann man hier nicht erleben….es ist ganzjährig gleichmäßig grün. Auch wenn mal so manches Mal über das Wetter schimpft, ein Ausbleiben der Jahreszeiten wäre für mich auch ein Verlust…wie mir jetzt klar wurde. Neben diesen „Kleinigkeiten“ sind es aber natürlich die Probleme mit denen vermutlich alle Immigranten zu kämpfen haben. Das „Herausgerissen sein“ aus der eigenen Kultur, Sprache, Mentalität, Werten und Geschichte. Wenn es die ersten Generationen es noch sehr erfolgreich geschafft haben unglaublich viel davon in die neue Welt „hinüber zu retten“, so müssen die Älteren heute dem Schwinden der deutschen Kultur hilflos zusehen… aufgrund des Zweiten Weltkrieges ist hier sehr, sehr viel verloren gegangen. Viele Jüngere Deutschstämmige sprechen kein Deutsch mehr und selbst den Älteren (denen Deutsch jahrelang verboten war) geht Portugiesisch inzwischen weitaus flüssiger über die Lippen.
Auch wenn es immer noch viele, viel wirklich typisch deutsche Dinge hier gibt, die „deutsche Epoche“ in Brasilien scheint beendet. Bewerten, gerade im Lichte der gegenwärtigen Immigrantenintegrations-Diskussionen in Deutschland, mag das jeder für sich.
Wir haben uns jedenfalls riesig über die herzliche Aufnahme bei den netten Damen gefreut und noch am gleichen Abend eine ihrer Ausflugsempfehlungen besucht. Wir sind in die Brauerei des berühmten „Eisenbahn“ Bieres gefahren. Dort gab es typisch deutsches Essen und ein wirklich herausragend gutes Bier. Man hat uns die (wirklich ganz, ganz kleine) Brauerei auch mal gezeigt und dann hat auch schon die Musikkapelle gespielt. In typisch deutschen Trachten spielten die „Hausmusikanten“ so manche bekannte Melodie. Wir wurden schon nach kurzer Zeit mit an den „deutschen Stammtisch“ mit eingeladen und feierten mit netten Leuten, gutem Bier und toller Musik bis in die späte Nacht.
Am letzten Tag besuchten wir noch das „Villa Germanica“, dass Deutsche Dorf. Man hat hier mit so circa 20 bis 30 hübschen Fachwerkhäusern einen typischen deutschen Altstadtkern nachgebaut und man fühlt sich wie zu Hause. Natürlich sind dies alles Gaststätten und Mitbringsel-Läden mit allen möglichen Souvenirs die irgendwie mit Deutschland zu tun haben. Vom Maßkrug, Hosenträger, Gamsbart bis zu Kräuterschnaps und Volksmusik-CDs ist alles zu haben. Die größte Feier findet hier zum „Blumenauer Oktoberfest“ statt. Direkt am Villa Germanica gibt es noch drei riesige Hallen und hier finden alljährliche über eine halbe Million Menschen, zum größten deutschen Oktoberfest außerhalb Deutschlands, Platz. Selbst in Brasilien kennt jeder das Oktoberfest und war schon hier oder will unbedingt mal dabei sein. Es ist nach dem Karneval das größte Fest des Landes.
Leider, leider hatten wir nicht genug Zeit um bis zum Oktober zu warten und so ging es weiter nach Iguazu, den größten Wasserfällen der Welt.
Die Wasserfälle von Iguazu sind die größten (wasserreichsten) der Welt und es sind die imposantesten die ich je gesehen habe. Zwar sind wir vor ein paar Jahren schon einmal hier gewesen, aber diese Fälle in ihrer unübertroffenen Urgewalt kann man vermutlich tausend Mal besuchen und trotzdem immer wieder aufs Neue beeindruckt sein.
Der Rio Iguazu, der die Fälle bildet, ist der Grenzfluss zwischen Brasilien und Argentinien und von beiden Seiten hat man spektakuläre Ausblicke. Wir haben Brasilien vorerst verlassen und sind nach Argentinien gereist, weil hier alles viel preiswerter ist. Brasilien ist nämlich in den letzten Jahren ein arg teures Reiseland geworden, da der Reais oder Real (Währung Brasiliens) im Vergleich zum Euro um circa 50 Prozent aufgewertet wurde. In Argentinien kostet alles circa die Hälfte und so konnten wir ein wenig unsere Reisekasse schonen.
Wir sind natürlich gleich am ersten Tag zu den Wasserfällen gestürmt und haben uns von den beeindruckenden, stürzenden Wassermassen den Atem rauben lassen. Im Detail möchte ich heute die Wasserfälle aber nicht beschreiben, da ich mich wohl ziemlich wiederholen würde (Sie können natürlich auf meiner Homepage noch mal nachstöbern). Ein Höhepunkt blieb uns allerdings beim letzten Mal verwehrt, die Isla San Martin war beim letzten Mal gesperrt war aber nun zugänglich. Diese Insel ist der tollste Platz am ganzen Katarakt, da sie mitten im Fluss zwischen allen Fällen liegt. Mit einem Boot setzt man auf die sehr unwegsame Insel über und hat dort zwar nur wenige, aber spektakuläre Aussichtspunkte. Ein kleines unscheinbares Löchlein in der Vegetation gibt den Blick auf all die vielen Wasserfälle um den berühmten Teufelsschlund frei…hier spürt und sieht man die Urgewalt des Wassers. Auf der anderen Seite des „Inselchens“ gibt es eine richtige Aussichtsplattform, direkt vor der größten Serie von Wasserfällen auf der argentinischen Seite (Insgesamt sind es mehr als 270 einzelne Wasserfälle). Hier, direkt vor dem San Martin Wasserfall weht meist die gewaltige Gischt heran und man kann hier daher in der Regel gar nicht stehen ohne in einer Sekunde klatschnass zu sein. Heute stand der Wind glücklicherweise günstig und wir konnten das seltene Schauspiel genießen. Die Felswand ist stark zerklüftet und die vielen Vorsprünge, Spalten, Ritzen und Bruchanten bieten der subtropischen Vegetation ausreichend Ansatzpunkte sich hartnäckig festzukrallen. Dadurch sind die Fälle hier sozusagen grüner. Sie entsprechen daher ziemlich genau unserem Klischee eines paradiesischen Wasserfalls. Am eindrucksvollsten fand ich einen Felsblock der aus der senkrechten Wand heraus zu kippen scheint. Das Wasser prasselt von oben auf das Gestein, zerstäubt, zerfließt und verliert sich nur um unterhalb des Felsens wieder einen tobenden, senkrechten und weißen Strom zu bilden. Dadurch scheint der Fels nach unten nirgendwo aufzustehen… also zu schweben. Die üppige Vegetation, von Gischt und Wasser durchströmt wie ein maßlos übersättigter Schwamm, hebt sich sattgrün gegen das wild weißschäumende Wasser ab. Alles sieht ein klein wenig wie bei den schwebenden, reich überwachsenen Felsen von Pandora im Film „Avatar“ aus. Bei so viel Glück mit Wind und Wetter wollten wir noch ein paar Tage bis zum Vollmond bleiben und uns die Wasserfälle bei Mondschein anschauen. Hier hatte Petrus allerdings kein Einsehen mehr und schickte jeden Abend Gewitter.
Wir beschlossen nun noch eine Sache nachzuholen, die wir bei unserem letzten Argentinienbesuch nicht realisieren konnten: Eine Fahrt mit dem Tren a las Nubes“, dem „Zug in die Wolken“. Diese einzigartige Zugstrecke war lange Zeit unter Rekonstruktion ist aber nun wieder ausschließlich für Touristen nutzbar. Wir fuhren also mit dem Bus bis Salta im äußersten Nordwesten des Landes. Hier nahe des Dreiländerecks Argentinien, Bolivien und Chile wurde 1921 begonnen eine Eisenbahnverbindung von Argentinien nach Chile zu bauen. Die begabtesten Ingenieure ihrer Zeit und federführend Ricardo Fontaine Maury (vorher tätig am Panama-Kanal) planten eine Streckenführung die vorher für unmöglich gehalten wurde: 29 Brücken, 21 Tunnel, 13 Viadukte, 2 schraubenförmige Aufstiege und 2 Zickzacks. In 27 Jahren wurde die Strecke durch die wild zerklüfteten Schluchten der Hochanden bis hinauf auf den Altiplano gebaut. Den höchsten Punkt bildet ein gigantischer Viadukt über eine Steilschlucht in 4220 Metern Höhe. Die Stahlkonstruktion des Polvorilla Viaduktes galt lange Zeit als das gewagteste technische Bauwerk seiner Zeit. Nach der Fertigstellung 1948 diente die Strecke dem Transport von Erzen und Mineralien nach Chile von wo aus das meiste verschifft wurde.
Heutzutage kann man in bequem ausgestatteten Touristenwagons den spektakulärsten Teil der Strecke befahren. Man startet 7:00 Uhr morgens und kehrt erst nachts 23:00 Uhr zurück. Die Fahrt geht in der Ebene um Salta los und bald geht es hinauf in die immer enger werdenden Täler der Anden. Weil das Gelände so schwierig ist, verläuft die Strecke mal links und mal rechts des Flusses. Das anfangs noch breite Tal muss daher mehrmals gequert werden. Die Regenzeit ist vorbei und die Gebirgsflüsse daher auf ein Minimum geschrumpft. Die Brücken führen also eigentlich nur über breite Schuttebenen mit kleinen Bächen darin. Ein einziger Blick auf das Hundert Meter breite Flussbett mit gewaltigen Felsbrocken darin lässt einen aber sofort die unzähmbare Kraft des Flusses erahnen, wenn hier Schmelzwasser und Regenwasser unkontrollierbar zu Tal donnern. Nun windet sich die Strecke immer weiter bergan durch all die vielen Tunnel und Brücken. Zweimal durchfahren wir einen Zickzack: Der Zug stoppt, eine Weiche wird umgestellt, auf einem anderen Gleis geht es nun rückwärts bergauf, der Zug stoppt, eine Weiche wird umgestellt und es geht wieder vorwärts – natürlich bergauf ;-) - weiter. Man hat dadurch dreimal den gleichen Ausblick – nur aus verschiedenen Höhen. Auch der „Kreisel“ ist bemerkenswert. Es ist wie bei einem Kreisverkehr den man gerade überqueren will, man aber noch eine „Extrarunde“ fährt. Während dieser schraubenförmigen Extrarunde, die aus dem Fels herausgesprengt wurde, geht es weiterhin steil bergauf. Die Zickzacks und Schrauben dienen dazu die Steigung auf mehr Strecke zu „verteilen“ und die Steigung dadurch in einem Maß zu halten, welches von der Lokomotive bewältigbar ist.
Der Ausblick ist fantastisch und variiert von Agrarland um Salta, Wäldern am Fußpunkt der Berge, imposanten Flussbetten, schroff steilen Felswänden bis hinauf zum vegetationsarmen Altiplano. Wenn man möchte kann man sich die imposante Natur und beeindruckenden technischen Bauwerke auch superbequem bei einem leckeren Mittagessen mit guten argentinischen Rotwein betrachten – einen Speisewagen gibt es nämlich auch. Am Polvorilla Viadukt stoppt der Zug und alle können aussteigen um die Brücke zu bewundern. Danach geht es wieder zurück nach Salta.
Wir reisen am nächsten Tag auch weiter. Der Pantanal, das größte Sumpfland der Welt, ist unser nächstes Ziel.
Brasilien sollte diesmal unser alleiniges Reiseland sein. Groß und vielfältig genug ist es allemal. Aber Brasilien ist teuer. In wenigen Jahren hat es sich von einem preiswerten Reiseland zum teuersten in Südamerika entwickelt. Zwar reisen wir sehr sparsam, doch unser Reisebudget schmilzt trotzdem viel zu schnell dahin. Besonders Touristen werden gern und gründlich gemolken. Als wir erfahren, dass für eine dreitägige Pantanaltour circa 400 Euro pro Person zu berappen wären, verschlägt es uns den Atem und auch die Lust dorthin zu reisen. Wir sind zunehmend zornig über die Abzocke und werfen unsere Pläne mal wieder über den Haufen. Wir reisen nun kurz entschlossen nach Bolivien, weil 1/3 des Pantanals eben auch in Bolivien liegt. Eine Tour hier kostet nur circa 20 Prozent des brasilianischen Preises. Außerdem können wir nun auch quer durch Bolivien reisen und so viele Tausend Kilometer Strecke sparen ….und viel viel Geld.
Wir reisen also nun über Tupiza in Südbolivien über das herrliche Cochabamba ins tropische Santa Cruz und weiter in den bolivianischen Pantanal nach Quijarro. Der Ehemals so berüchtigte „Todeszug“ von Santa Cruz in das Grenzkaff Quijarro ist inzwischen auch modernisiert wurden und die unzähligen, namensgebenden Unfälle halten sich nun im Rahmen. Der Unterschied des bitterarmen Boliviens, obwohl wir hier im reicheren Osten des Landes sind, und des aufstrebenden Brasiliens kann einem kaum deutlicher gemacht werden als hier. In Quijarro gibt es wenige Gebäude mit mehr als einer Etage, viele Holzhütten und nur eine befestigte Straße. Jenseits des Flusses im brasilianischen Corumba sieht man schon von Weitem die Hochhäuser der Innenstadt.
Wir brauchen eine Weile um jemanden zu finden der uns mit seinem Boot den Pantanal zeigt. Es ist uns auch bewusst, dass wir nicht unbedingt zur besten Jahreszeit hier sind um Tiere zu sehen. Diese versammeln sich, notgedrungen, während der Trockenzeit an den wenigen verbliebenen Wasserstellen und sind dort gut zu beobachten. Nun ist allerdings fast Wasserhöchststand und so fahren wir statt durch eine Fluss- Sumpflandschaft über eine eher seeartige, fast geschlossene Wasserfläche. Der Fluss ist derartig angeschwollen und über die Ufer gelaufen, dass stellenweise das andere Ufer kaum auszumachen ist. Viele Häuser stehen im Wasser und nur das Dach schaut noch heraus. Meist sind das Wirtschaftsgebäude und Ställe die wie die Weiden für ein paar Monate unzugänglich sind. Die Tiere gibt es natürlich immer noch, aber sie sind nun auf gigantische Flächen verteilt. Leider können wir daher nur wenige Wasserschweine, einen einzigen Kaiman, aber unzählige Vögel sehen.
Letztendlich sind wir sehr froh keine 800 Euro in Brasilien bezahlt zu haben und fahren ins bolivianische Tiefland nach Trinidad. Von dort wollen wir mit einem Boot weiterfahren. Hier verlässt uns aber das Glück vollends, da das nächste Boot erst in einer Woche wieder ablegt und dann schätzungsweise fünf Tage bis zur Grenze braucht. Wir disponieren um und fliegen für 45 Euro pro Person nach Guayaramerin, eine Ministadt an der Grenze zu Brasilien.
Schon auf dem Flug mit einer 12-sitzigen Propellermaschine konnten wir den unendlichen bolivianischen Regenwald bewundern. Bis jetzt kannten wir hauptsächlich nur das Hochland – kalt, karg und trocken – nun ging es in die Tropen. Unzählige Wasserläufe und Flüsse, auf einem hätten wir fahren wollen, schlängeln sich in zahllosen Mäandern durch den Regenwald. Die Fläche die wir überflogen, obwohl Boliviens Anteil an Amazonien überschaubar ist, scheint unendlich. Wirft man auch nur einen Blick aus dem Flieger, durch die sich auftürmenden Wolken, ist einem sofort klar: Diese schwammartige, maßlos durchwässerte und unendliche Waldwildnis ist viel zu unzugänglich, zu gigantisch und zu wild, als dass der Mensch sie jemals beherrschen könnte. Gegen jedes bessere Wissen war das mein Eindruck. Als wir jedoch zum Landeanflug ansetzten, zerstob diese Illusion in Nichts als die ersten Ausläufer der Stadt sichtbar wurden. Wie ein Pilzgeflecht ziehen sich von der Stadt aus Wege und Pfade hinein in die Wildnis dazwischen liegen Weiden auf denen abertausende von Rindern grasen. Größtenteils werden die Rinder in das wirtschaftlich boomende Brasilien exportiert. Überhaupt scheint ganz Guayaramerin ein gigantischer Billigmarktplatz für das nahegelegene Brasilien zu sein.
Wir wollen nun aber weiter über die Grenze. Hier fahren täglich tausende Menschen ohne Passstempel über den Grenzfluss. Solange man nicht im Nachbarland weiterreisen will, ist das auch in Ordnung, aber wir brauchen unsere Stempel. Die bolivianische Seite ist einfach. Ein supernetter Grenzer, der sein Büro kurzerhand in den schattigeren Garten verlegt hat, krabbelt aus seiner Hängematte, scherzt ein wenig mit uns und in zwei Minuten haben wir unsere Stempel. Nun setzten wir über und müssen die brasilianische Grenzstelle in Guajara-Mirim erst mal suchen. Circa 1,5 Kilometer vom Hafen entfernt finden wir sie nach einigem Suchen mitten in der Stadt. Hier brauchen wir circa 50 Minuten.
Nun geht es in den Norden Brasilien, hier wollen wir Brasiliens höchsten Berg besteigen – den Tafelberg Roraima.
Ja - es gibt einen Bahnhof am Ende der Welt: in Workuta!
Sicherlich gibt es viele Orte die dem sprichwörtlichen Ende der Welt recht nahe kommen, mein „Favorit“ ist Workuta: Eine überraschend große Stadt im äußersten Norden Russlands. Die Stadt liegt gerade noch in Europa am nördlichen Ende des Uralgebirges, 200 km nördlich des Polarkreises. Workuta ist der Ausgangspunkt einer 25.000 Kilometer langen Reise entlang der Grenze von Europa und Asien. Innerhalb von vier Monaten werden wir die gesamte Landgrenze unseres Kontinentes bereisen um Land und Leute beiderseits dieser imaginären Linie kennen zu lernen.
Startpunkt ist der nördlichste Zipfel des Uralgebirges, dem Grenzgebirge der Kontinente, dann werden wir entlang des Uralflusses zum Kaspischen Meer reisen. Weiter verläuft die Grenze über den Kamm des Kaukasus und durch das Schwarze Meer bis nach Istanbul, der Stadt auf zwei Kontinenten.
Über Litauen und Lettland reisten wir nach Moskau. Allein Riga bis Moskau bedeutete 16h Zugfahrt für uns. In Deutschland wäre dies sicherlich viel, hier ist es nur eine Aufwärmübung. Wir kennen Moskau schon von früher: Roter Platz, Kreml, Basilius Kathedrale und Metro bei 40 Grad Minus. Aber nun herrscht hier Sommer mit gnadenloser Hitze und keinem Wölkchen am Himmel. Zwei, drei Tage genießen wir die schöne Stadt, Sommerwetter und die Feiertagsstimmung (erster Ferientag) danach brechen wir auf.
Wir wussten natürlich das es eine weite und lange Fahrt wird, als dann aber tatsächlich 52h auf dem Fahrschein stehen, wird uns die wahre Dimension erst wirklich bewusst.
Über zwei Tage, zwei Übernachtungen, mehrere Vegetationszonen und tausende Kilometer Strecke liegen nun vor uns. Zu Beginn der Fahrt steht das Quecksilber auf knapp 40°C und in unserem
ganzen Waggon ließen sich nur 2-3 Fenster öffnen. Die Luft stand, es war unerträglich heiß und trotz spärlichster Bekleidung lief allen der Schweiß in Strömen. Der 700m lange Zug fährt an und das endlose, monotone Rattern der Räder wird nur alle paar Stunden an den weit auseinander liegenden Bahnhöfen unterbrochen. Hier bieten Babuschkas Eis, Wasser und Gartenprodukte auf den Bahnsteigen an. Wir kaufen etwas Süßgebäck und dazu gibt es frischen Tee aus dem Zugsamowar. Nachts bekommt jeder frische Bettwäsche ausgeteilt, wir klappen die Betten herunter, beenden den Plausch mit den Mitreisenden und gehen schlafen. Erst im Laufe des zweiten Tages wird die Temperatur angenehmer und auch die Landschaft ändert sich langsam. Die unendlich scheinenden Wälder aus Birke, Kiefer und Fichte werden lichter und die Bäume immer kleiner. Während zu Beginn die Natur bereits in voller Blüte stand, werden die Maitriebe nun immer frischer und kürzer bis irgendwann nur noch kahle Zweige mit Knospen zu sehen sind. Wir durchqueren nun die sumpfige Taiga, undurchdringliche Birkendickichte und weit stehende, schmale Fichten wechseln sich mit moorigen Wasserflächen ab. Die Vegetation wird unmerklich dünner und dünner bis wir in der nahezu baumfreien Tundra angekommen sind. Einer Gras- und Buschlandschaft mit vielen halbgefrorenen Sumpfflächen und Wasserläufen. Die bereits in der Taiga einsetzenden Schneestürme werden heftiger und noch vor dem Polarkreis wird alles weiß.
In Workuta angekommen, schlägt uns ein polarer Schneesturm ins Gesicht.
Es ist der 2. Juni und der kälteste Tag den wir in diesen Jahr erlebt haben!
Der Roraima Tafelberg ist eine der ältesten geologischen Formationen der Erde. Die Gesteine die diesen Tepui (Tafelberg) bilden sind über zwei Milliarden Jahre alt und weit älter als jegliches, sei es noch so primitives, Leben auf unserem Planeten. Selbst die Ära der Dinosaurier war nur ein Wimpernschlag der Geschichte verglichen mit dem Alter der Tepuis. Als Afrika und Südamerika noch gemeinsam den Superkontinent Gondwana bildeten gab es schon diese Massive. Das unvorstellbare Alter und die unzugänglichen Steilwände (das Plateau ragt rund tausend Meter über das Umland heraus) führten zu einer einzigartigen und eigentümlichen Flora und Fauna. Der Roraima ist auf seinem Hochplateau kalt und feucht während die Gran Sabana zu seinen Füßen ein heißes und trockenes Klima prägt. Sollte es also einer Tier- oder Pflanzenart irgendwie gelingen die tausend Meter hohe Steilwand zu überwinden, findet sie derart fremde Lebensbedingungen vor, dass sie niemals überleben könnte. Die Roraima - Hochebene ist daher seit jeher nahezu vollständig von der biologischen Entwicklung außerhalb abgeschnitten. Fauna und Flora sind karg und muten prähistorisch an. Es gibt Arten (z.B. eine Froschart) die sind so alt, dass ihre nächsten Verwandten in Afrika leben (siehe oben), mit den unzähligen Froscharten Südamerikas hat es nie eine Durchmischung gegeben. Die eigentümliche, prähistorisch wirkende Vegetation haben die ersten Entdecker und Forschungsreisenden anschaulich beschrieben. Diese Expeditionsberichte inspirierten unter Anderem Sir Arthur Conan Doyle zu seinem Weltbestseller „Die vergessene Welt“ („The Lost World“) in dem auf dem Roraima (im Roman wurde der Name geändert) noch Dinosaurier bis in unsere heutige moderne Zeit überlebt haben.
All diese herrlichen geologischen, biologischen und literarischen Details hatte ich war im Hinterkopf als wir uns den Berg hinauf quälten…nur leichter wird der Aufstieg dadurch nicht ;-)
Glücklicherweise hatte es seit einigen Stunden nicht geregnet und so führten die Wasserfälle, die auf uns hernieder prasseln würden, kaum Wasser. Es gibt nämlich größtenteils nur nackten Fels und sehr wenig Boden auf dem Plateau. Bei Regen steht daher alles schnell unter Wasser, aber es fließt auch alles schnell wieder ab. Der kümmerliche Rest des Wasserfalls zerstäubte jedenfalls schon hunderte Meter über uns und sein Wasser vermischte sich mit dem Nebel der Wolken die uns umgaben.
Unser Pfad ist steil. Auf zwei Kilometern Horizontalentfernung geht es tausend Meter hinauf. Dass es von Zeit zu Zeit auch immer wieder Stücke abwärts geht, macht alles noch schwieriger. Trotzdem irgendwann sind wir oben. Wir haben das Plateau erreicht und können im immer noch dichten Nebel kaum ein paar Dutzend Meter weit schauen. Eine kärgliche und kleinwüchsige Vegetation und skurrile Felsgebilde fallen als erste auf. Ein circa fünf Meter langer Felsen scheint nahezu zu schweben, nur in der Mitte liegt der riesige Block auf – die „fliegende Schildkröte“ („Flying Turtle“) – ein treffender Name. Nach weniger als zehn Minuten auf der Hochebene beginnt es natürlich wieder zu regnen und so machen wir uns zügig auf Richtung Nachtlager. Es sind nur noch wenige Kilometer, aber die Landschaft scheint irgendwie nicht von dieser Welt oder zumindest nicht aus unserer Zeit zu sein. Wenn man hier unvermittelt einem Dinosaurier gegenüber steht, würde man es als das normalste auf der Welt ansehen, den Dinosaurier freundlich grüßen und mehr oder weniger zügig (kommt darauf an ob Pflanzen- oder Fleischfresser) weitergehen.
Unser Zelt schlagen wir unter einer vorstehenden Felswand auf und sind hier trocken aufgehoben. Leider regnet es nun ununterbrochen noch den kompletten Nachmittag, den Abend, die ganze Nacht und bis zum nächsten Mittag. Nach 24 Stunden zusammengedrängt auf engsten Raum laufen wir nun los. Es regnet nur noch wenig und wir erhoffen von der Kante des Tafelbergs unter Umständen einen Blick ins Tal erhaschen zu können. Der Berg ist riesig und so sind wir ein paar Kilometer unterwegs bis zu Kante. Inzwischen regnet es nicht mehr, aber noch immer hängt alles im dicksten Nebel. Wir stehen nun zwar an der Kante, aber ob es dort 3 Meter, 300 Meter oder 1000 Meter heruntergeht ist nicht erkenntlich. Ich bin ziemlich frustriert. Ein dreitägiger anstrengender Aufstieg und 24 stündigen Regenarrest und jetzt hat man keinen herrlichen Ausblick wie erhofft, sondern es sieht aus wie ein Blick in die Waschküche meiner Großmutter. Wir warten einige Zeit und entscheiden dann noch ein paar Kilometer weiter zu gehen und es an einer anderen Stelle erneut zu probieren. Vielleicht steht dort der Wind ja günstiger. Es geht also hinauf zum höchsten Punkt des Tepuis und damit auch auf den höchsten Punkt von Brasilien. Leider ist es auch hier trüber und es beginnt leicht zu tröpfeln. Trotzdem macht uns unser Bergführer, ein Indianer aus Guyana, Hoffnung und so warten wir weiter. Es sollte Recht behalten. Mit einem Schlag riss der Himmel auf. Ein Windstoß zerrte die großen Wolken weg und wir standen blinzelnd in der grellen, hochstehenden Tropensonne. Für wenige Minuten enthüllten sich weite Teile des Hochplateaus und es wurde deutlich wie gigantisch es eigentlich ist. Am eindrucksvollsten war aber der Blick Richtung Tal. Meist konnten wir es gar nicht richtig sehen, da Wolken unter uns die Sicht darauf verdeckten. Aber gerade der Blick auf die Wolken von oben, aus eigenen Kräften erkämpft und nicht aus einem Flugzeug, ist unvergesslich. Ständig schob es von unten neue Wolkenmassen die senkrechte Wand hinauf, wo sie verweht und aufgelöst wurden. Ein herrlicher Anblick, genau der Anblick wegen dem wir den Aufstieg in Angriff genommen hatten. Toll! Wir waren überglücklich. Es störte uns auch nicht wirklich, dass nach wenigen Minuten die herauf quellenden Wolken den Kampf gegen Sonne und Wind wieder mühelos gewannen…es wurde wieder finster und es regnete. Es war uns aber egal, wir würden dieses kraftvolle – schöne Naturschauspiel wohl niemals vergessen. Klatschnass und tief zufrieden kehrten wir zum Zelt zurück.
Tags darauf machten wir uns auf den Rückweg. Nun hatte es allerdings lange genug geregnet, sodass die Wasserfälle gut gefüllt waren und unter einem mussten wir durch. Auf einem steilen Teilstück im oberen Drittel des Weges knallte das Wasser aus mehreren hundert Metern Höhe auf uns hernieder. Das war nun wirklich kein zerstäubter Regen mehr, es waren wahre Wassermassen. Wurde man von einem richtigen Schwung getroffen, war es als würden mehrere Badewannen über einem ausgeleert. Die Wucht des Wassers war leicht beängstigend und das Wasser war recht kalt. Ich hatte mir aus einem Müllsack einen Regenschutz gebastelt und blieb auch obenrum mehr oder weniger trocken. Das Wasser ran dann aber daumendick an mir herunter und die Schuhe standen in einer Sekunde randvoll unter Wasser. Bei jedem Schritt schwabberte es lustig in den Stiefeln, denn unser Pfad war durch den Regen zum Bachlauf geworden…trocken wurden wir heute nicht mehr!
Nach sechs Tagen erreichten wir wieder die Zivilisation und waren erschöpft, aber glücklich über die gelungene Tour. Unser nächstes Ziel ist nun Amazonien dazu mehr im nächsten Bericht.
Nach unserer Bergtour in Venezuela ging es wieder zurück ins gigantische Brasilien. Wir flogen nach Tefé ein kleines Städtchen stromaufwärts von der Dschungelmetropole Manaus. Der Dschungel, der Regenwald, der unberührte Urwald war unser Ziel und auch im unendlichen Amazonien ist dies zunehmend schwieriger zu finden. Hier inmitten eines gigantischen Schutzgebietes (57.000 Quadratkilometer) gibt es eine Ökolodge welche direkt von der Schutzgebietsverwaltung unter strengsten Naturschutzrichtlinien und unter Einbeziehung der lokalen Indianerstämme betrieben wird. Der Grundgedanke ist die Einheimischen, ohne deren Mitarbeit jedes Schutzkonzept scheitert, zur Zusammenarbeit zu bewegen. Jedes Dorf im Schutzgebiet wird daher an den Einnahmen aus dem Ökotourismus beteiligt und alle ansässigen Familien dürfen ein Mitglied entsenden um dort, zum Beispiel als Dschungelführer, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Ein tolles Projekt im kleinen Rahmen (wir waren nur drei Touristen) zum nachhaltigen Naturerleben.
Mit einem Motorboot starteten wir in Tefé und sahen bereits auf unserer Anfahrt eine artenreiche Wasserwelt: unzählige Vögel, Reiher, gigantische Baumriesen, undurchdringliche Dickichte, wir hörten Brüllaffen und sahen sogar die seltenen rosa Flussdelfine. In Stadtnähe lebten noch viele Leute in schwimmenden Häusern direkt auf dem Fluss bzw. in Häusern mit hohen Stelzen am Ufer. Momentan steht das Wasser sehr hoch (circa 12 Meter über dem niedrigsten Wasserstand) und daher ist fast alles geflutet. Farmer deren Weiden komplett unter Wasser stehen, treiben ihr Vieh auf Flöße. Hier stehen dann die Rinder monatelang und warten auf das Zurückweichen des Wassers. Wir fuhren aber immer weiter den Fluss hinauf in immer kleinere Seitenflüsse hinein und irgendwann verloren sich auch die letzten menschlichen Siedlungen im unendlichen Grün Amazonies.
In einem schwimmenden Bungalow übernachteten wir und wurden sanft in den Schlaf gewiegt. Tags darauf ging es mit dem Boot, andere Verkehrsmittel gibt es in dieser Wasserwelt nicht, in eines der Projektdörfer. Hier leben neben Indianern auch ehemalige Kautschuksammler, Goldsucher und sonstige Glücksritter. Es ist ein kleines Dörfchen mit ca. 100 Personen und eine ältere Frau führt uns herum. Die Einheimischen grüßen zwar höflich, interessieren sich aber eigentlich kaum für uns, denn heute ist Sonntag und Sonntag ist Fußballtag. Aus allen umliegenden Dörfern treffen Spieler samt Familien zum allwöchentlichen Turnier ein. Natürlich kommen alle mit Booten, weil es die einzige Möglichkeit ist. Das hiesige Dorf wurde als Austragungsort ausgewählt, da es etwas höher liegt und daher das Fußballfeld, zumindest größtenteils, noch aus dem Wasser herausragt. Viele der Zuschauer finden kein trockenes Plätzchen mehr um ihre Mannschaft anzufeuern....sie sitzen in ihren Booten mit denen sie an der Seitenlinie heran gepaddelt sind. Das Spiel ist hart, aber fair und immer wieder landet der Ball im Wasser. Einer der Spieler springt dann kurzerhand ins Wasser um ihn zu schnappen bevor er davon treibt.
Am Abend erlebten wir an einer seeartigen Verbreiterung des Flusses den tollsten Sonnenuntergang, den ich je sah. Die Sonne färbte den bewölkten Himmel in allen Farbschattierungen von rot, gelb und blau. Im ganz leicht bewegten Wasser spiegelten sich Himmel und Wolken wie in einem See aus Quecksilber. Am Horizont trennte eine schwarze Urwaldsilhouette das Schauspiel. Wir saßen dabei in einem kleinen Boot, aßen allerlei tropische Früchte, deren Namen wir nicht einmal kannten und genossen die kurze Abendvorstellung der Tropensonne.
Mit weiten Abstand das tollste Erlebnis ist allerdings unzweifelhaft das Kanufahren durch den Urwald. Der Fluss steht inzwischen so hoch, dass der Waldboden zwei bis drei Meter unter Wasser ist. Es gibt nun nur noch drei Fortbewegungsarten in dieser Wildnis. Fliegen, von Baum zu Baum klettern oder schwimmen. Wir entschieden uns für letzteres und glitten mit unseren Kanus lautlos durch das Unterholz, kleine Kanäle und vorbei an Urwaldriesen. Die Luft war meist erfüllt von respekteinflößenden Geschrei der Brüllaffen, nur selten drang ein Sonnenstrahl durch die dichte Blätterkrone, Moskitos drangen unbarmherzig und unentwegt auf uns ein und einige Male öffnete der Himmel seine Schleusen und setze uns, das Boot und den ganzen Wald vollendet unter Wasser.
...und genau hier... klatschnass, schwitzend, Stiche kratzend und leise all diese Moskitos verfluchend, wurde mir mit einem breiten Grinsen klar, dass ich mir hiermit einen Kindheitstraum erfüllt habe: Mit einem Kanu durch die Wälder Amzoniens fahren!
Fortsetzung folgt.
Amazonien ist riesig. Das Regenwaldgebiet ist so unfassbar groß, dass man Deutschland über 16 mal darin unterbringen könnte. Es ist daher illusorisch zu glauben, man könnte Amazonien während einer Reise vollständig bereisen oder gar verstehen. Wir haben uns daher einen winzig kleinen Bereich (siehe letzter Bericht) etwas ausführlicher angeschaut und nun wollen wir uns noch einen groben Überblick verschaffen. Dazu kauften wir uns zwei Hängematten, Reiseproviant, zwei Fahrkarten und reisten eine Woche lang auf einem der typischen Flussschiffe den Amazonas hinunter. Sieben Tage brauchten wir für rund 2000 Kilometer während denen der Amazonas von einem Fluss zu einem unüberblickbaren Strom anwuchs.
Unsere Vermieterin meinte: „Schnappt eure Hängematte, geht aufs Schiff und hängt sie dort irgendwo auf. Benehmt euch so als hättet ihr alles schon tausend Mal gemacht. Irgendwann kommt jemand rum und kassiert euch ab. Genießt die Enge!‟ So richtig gut eingewiesen kamen wir uns nun eigentlich nicht vor, gingen aber zum Hafen und kauften zwei Hängematten. „...die Stricke nicht vergessen!‟ erinnere ich mich noch an die mahnenden Worte unserer wohlmeinenden Vermieterin. Dann ging es über ein paar wackelige Holzbretter an Bord. Wir versuchten all die Ratschläge die wir inzwischen zur Auswahl des Hängemattenplatzes erhalten hatten zu berücksichtigen. Oberdeck, da ist die Luft besser. Weg vom Klo, dort stinkt es. Weg von der Bar, dort ist es unglaublich laut. Nicht vorn, da regnet es herein. Nicht hinten (Ausgang), dort wird viel geklaut. Nicht in der Mitte, da ist es immer besonders voll, usw, usw. Immerhin war der Platz für sieben Tage unser Zuhause und so nahmen wir die Auswahl ernst. Wir waren also schon sechs Stunden vor Abfahrt da und hatten dadurch freie Platzwahl. Unsere Auswahl traf ein Plätzchen irgendwo im vorderen Drittel und so hofften wir die gröbsten Anfängerfehler vermieden zu haben. Zum anbinden waren Rohre an der Decke jedes Decks geschweißt. Der Abstand zur nächsten Hängematte war so frei einstellbar und betrug von anfangs komfortablen einem Meter zum Schluss keine 40 Zentimeter mehr. Bei großen Andrang wurden stellenweise die Hängematten auch übereinander angebunden. Abkassiert wurden wir übrigens erst zwei Tage später.
Das Liegen und das Schlafen in einer Hängematte ist traumhaft vorausgesetzt man legt sich nicht wie ein Tourist längs, sondern wie ein Einheimischer diagonal in die Matte. Wir haben die Fahrt sehr genossen. Es gibt keinen Stress, man baumelt und baumelt und bewundert die fantastische Kulisse die außen am Boot vorbeigeschoben wird. Natürlich gibt es viel zu sehen und zu fotografieren, mit den Nachbarn zu schwatzen, ein gutes Buch zu lesen, Reiseberichte zu schreiben oder einfach nur in der Hitze zu dösen. Für ein paar Tage lässt sich das gut aushalten. Ein bis zweimal pro Tag legt das Schiff irgendwo an. Manchmal sind es nur Dörfchen, aber auch riesige Metropolen wie Manaus oder Santarem. Nun wird stundenlang ein- und ausgeladen und neue Passagiere versuchen sich die bestmöglichen Plätze zu erkämpfen. In den Häfen kommen Händler an Bord die von fertigen Mahlzeiten bis zu Klappstühlen alles verkaufen. Manchmal sind die Dörfer zu klein, als das sich das Anlegen lohnen würde. Dann kommen die neuen Passagiere mit Motorbooten zum Schiff und legen während der Fahrt zum Einsteigen an. Überhaupt legen immer mal wieder kleine Motorboote an. Es sind Händler oder sie bringen oder holen Passagiere. Im unteren Teil des Flusses paddelten häufig Indianer (nur Frauen und Kinder, niemals Männer) mit ihren Booten heran. Viele der Passagiere warfen ab und zu "Spenden" in den Fluss. Besonders häufig landete die ungewaschene Wäsche, aber auch Plastiktüten (damit es schwimmt) mit Süßigkeiten oder Essen im Wasser. Die Indios fischten die Dinge dann heraus.
Im letzten Abschnitt auf unserer Flussfahrt wurde das Wetter zunehmend schlechter und so steuerte der Kapitän ab und zu eine windgeschützte Uferstelle zum Ankern an. Der Fluss war nun inzwischen so breit geworden, dass manchmal das Ufer nicht zu sehen war. Man fühlte sich wie auf offener See. Zwar habe ich noch nie einen Sturm auf dem Meer erlebt, aber die Gewalt der Tropengewitter die über uns herniedergingen war für mich völlig ausreichend. Selbst das Oberdeck wurde regelmäßig (durch Regen) unter Wasser gesetzt und das einzige halbwegs trockenen Plätzchen war die liebgewonnene Hängematte. Nach einer Woche auf dem größten Fluss der Welt erreichten wir Belem, hier mündet der Amazonas in den Atlantik. Wir gingen im strömenden Regen zwei Uhr nachts von Bord. Zwar freuten wir uns auf eine richtige Dusche (an Bord wurde nur Flusswasser hochgepumpt), aber die Hängematte ziehen wir den meisten Betten inzwischen vor.
Nun geht unsere Reise so langsam dem Ende entgegen. Einmal haben wir Brasilien im Uhrzeigersinn "umrundet" nun fehlt uns nur noch die nördliche Atlantikküste, bevor es wieder Richtung Heimat geht.
Inzwischen sind wir schon über vier Monate in Brasilien unterwegs, rechnet man die Zeit in Marokko (unsere abgebrochene Orienttour) dazu, ist es ein knappes halbes Jahr. Wir freuen uns auf zu Hause, auf Familie, Freunde, gutes Bier und Essen, einen weniger chaotischen Tagesablauf und natürlich das sichten von circa 16.000 Fotos und knapp 16 Stunden HD-Videomaterial. Bevor wir allerdings Brasilien verlassen, wollen wir uns noch die einzige Wüste dieses Riesenlandes und die Traumstrände an der nördlichen Atlantikküste anschauen.
Lençois de Marranhenses nennt sich die Wüste an der nördlichen Atlantikküste Brasiliens. Lençois heißt Bettlaken und wie unzählige, riesige, weiße Bettlaken bauschen sich die Dünen der Wüste auch auf. Die Wüste grenzt direkt an den Ozean und man könnte sie daher auch für einen 40 Kilometer breiten Strand halten. Das einzigartige an dieser Landschaft sind die unzähligen Süßwasserlagunen die sich in nahezu allen Dünentälern azurblau ausbreiten. Man läuft durch den feinen, reinweißen Sand der Wüste, stapft durch den entgegen rieselnden Sand mühsam die Düne hoch und traut, oben angekommen, seinen Augen kaum: eine Lagune mitten in der Wüste. Obwohl wir so nah an der Küste des Atlantik sind, ist in den zahllosen Oasen Süßwasser. Jetzt am Ende der Regenzeit ist der Grundwasserspiegel so hoch, dass sich für einige Wochen diese unwirklichen Lagunen bilden. Die sengende Hitze der Tropensonne wird allerdings den Löwenanteil der Gewässer wieder austrocknen. Ein paar wenige Lagunen, wie beispielsweise die Lagoa de peixe, führen ganzjährig Wasser und hier gibt es dann sogar Fische mitten in der Wüste.
Die Einzigartigkeit und die Schönheit dieser Landschaft locken inzwischen zahlreiche Touristen in die kleinen Ortschaften der Umgebung. Es wurde auch ein Nationalpark ausgerufen und man bemüht sich mit Initiativen ein Umweltbewusstsein von Einheimischen wie Touristen zu entwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass all dies hier mehr fruchtet als in zahlreichen anderen Regionen des Landes.
Unsere tatsächlich letzte Station ist ein Dörfchen namens Jericoacoara. Jeri, wie der Ort in Kurzform genannt wird, genießt im Kreis von Rucksacktouristen einen nahezu legendären Ruf. Irgendwann entdeckten ein paar Hippies auf der Suche nach dem Paradies dieses kleine, äußerst abgelegene Fischerdörfchen. Die Einheimischen belächelten, aber tolerierten die Neuankömmlinge und so entwickelte sich eine richtige Hippiekolonie die bald auch „andere“ Reiselustige anlockte. Inzwischen lebt Jeri mehr vom Tourismus als von der Fischerei, hat aber seinen Charme definitiv erhalten können. Es gibt keine großen Hotels, nur Pensionen, keine geteerten Straßen, selbst die Hauptstraße ist wie ein Sandstrand, keine sichtbaren Stromleitungen, keine Zufahrtsstraßen, man kann nur per Jeep am Strand entlang oder aus dem Hinterland hierher kommen und auch die Fischer bringen täglich immer noch ihren Fang ein, um das Dorf zu versorgen.
Jeden Abend treffen sich fast alle Touristen und einige Einheimische auf der großen Düne, der „Sonnenuntergangsdüne“. Diese Düne ist nur wenige Minuten Fußweg vom Zentrum entfernt und liegt direkt am Meer. Allabendlich kann hier das tolle Naturschauspiel des Sonnenuntergangs genossen werden, während man genüsslich einen frisch zubereiteten Caipirinha trinkt. Hat die Sonne ihre Vorführung beendet, schlendern alle zurück zum Strand. Hier haben sich inzwischen schon einige Capoeira Tänzer eingefunden. Capoeira ist eine, in Brasilien entstandene, Mischform aus Tanz und Kampfsport. Zur charakteristischen, rhythmisch treibenden Musik der Trommeln und Berimbau beginnen die Tänzer nun zunehmend schneller und schneller, umeinander herum zu tänzeln. Mit sehr artistischen Sprüngen und Tritten versucht man den Gegner so nah wie möglich zu kommen, ohne ihn jedoch jemals zu berühren. Es geht um das „ich-hätte-dich-treffen-können“ niemals aber um „ich-habe-dich-getroffen“. Capoeira ist sicherlich die agilste, eleganteste und artistischste aller Kampfsportarten und sicherlich auch „effizient“ sollte sie mal „scharf“ eingesetzt werden.
Spätestens jetzt hat jeden im Ort das brasilianische Lebensgefühlt gepackt. Man geht noch in eine der vielen Bars, Tanzlokale oder am Strand eine Runde spazieren, bevor es dann irgendwann ins Bett geht. Tagsüber haben wie immer wieder lange Strandspaziergänge unternommen. Es sind unendliche, einsame Strände, schließlich sind es rund 50 Kilometer zur nächsten Siedlung. Jeri hat sich besonders mit seinen malerischen Sonnenuntergängen bei uns als tropisches Strandparadies festgesetzt.
Für uns heißt es nun allerdings zurück Richtung Heimat. Von all den neuen Eindrücken und Erlebnissen werde ich einen neuen Vortrag zusammenstellen und vielleicht gibt es sogar ein Buch dazu…das wäre zumindest mein Traum.
Vielen Dank das Sie uns auf unserer Reise begleitet haben. Nächstes Jahr kann ich hoffentlich wieder von einer neuen Tour berichten. Ich halte Sie auf dem Laufenden und wünsche Ihnen alles Gute!